Fontane und Plaue (ab Seite 67)

… “Wun­der­ba­re Roman-Sze­ne­rie” oder “Jam­mer­nest”

Plaue erleb­te durch Theo­dor Fon­ta­ne eine umfas­sends­te lite­ra­ri­sche Dar­stel­lung und ver­dankt ihm ein gutes Stück über­re­gio­na­ler Bekannt­heit durch den Bei­trag „Plaue a.H.” im fünf­ten Band sei­ner „Wan­de­run­gen durch die Mark Bran­den­burg”.
Gewe­sen ist Fon­ta­ne im Städt­chen Plaue, das er in „Fünf Schlös­ser” (einem Band der „Wan­de­run­gen durch die Mark Bran­den­burg”) beschrie­ben hat, des öfte­ren. Plaue als ehe­ma­li­ger Quit­zow-Besitz dürf­te den his­to­risch inter­es­sier­ten und beson­ders mit der Geschich­te mär­ki­scher Adels­ge­schlech­ter eng ver­trau­ten Fon­ta­ne schon früh inter­es­siert haben.

Die aus sei­ner Arbeits­pha­se um 1869/70 erhal­te­nen Dis­po­si­ti­ons­ver­su­che (Fon­ta­ne führ­te immer Tage­buch dar­über, wor­an er gera­de arbei­te­te) für den drit­ten „Wanderungen”-Band („Havel­land”, 1873) sahen bereits eige­ne (aller­dings nicht aus­ge­führ­te) Kapi­tel über „Schloss Plaue” bzw. „Plaue und die Königs­marcks” vor. Jedoch erst die Bekannt­schaft mit dem Land­wirt, Park­ge­stal­ter und „Scho­pen­hau­er-Enthu­si­as­ten” Carl Fer­di­nand Wiesike, des­sen Besit­zun­gen „Schloss Plaue gegen­über” lagen, brach­ten Fon­ta­ne dazu, sich erneut mit Stadt und Schloss zu beschäf­ti­gen. Im Win­ter 1873/74 hat­te Fon­ta­ne gemein­sam mit sei­ner Frau, der Fami­lie Wan­gen­heim und Pas­tor Win­del Scho­pen­hau­er-Stu­di­en getrie­ben, die ihm nach eige­nen Aus­sa­gen „sehr viel Freu­de” und „viel Anre­gung” gebracht hat­ten. Vor allem die Begeis­te­rung für die­sen deut­schen Phi­lo­so­phen wird es gewe­sen sein, die ihn „in gro­ßer Kum­pa­nei” (so im Plaue-Kapi­tel zu lesen) zu dem damals 76jährigenWiesike geführt hat.

Bis 1880 reis­te Fon­ta­ne nun jedes Jahr ein­mal nach Plaue. Zeug­nis hier­über fin­det man in sei­nem sehr rege geführ­ten Brief­wech­sel. So schrieb er am 14. Juli 1875 über eine gemein­sa­me Fahrt nach Plaue mit sei­ner Frau an Karl Zöllner:

Die­se letzt­re (die Gat­tin) hat mitt­ler­wei­le auch ihre Tri­um­phe gefei­ert und zwar im Hau­se C.F.Wiesike´s auf Plaue bei Bran­den­burg. Bei die­sem waren wir vier Tage der vori­gen Woche, die Stun­den zwi­schen Scho­pen­hau­er, altem Rhein­wein und Natur­genuß gewis­sen­haft thei­lend. Alles geschah im Frei­en, vom Mor­gen­kaf­fee an, und der gan­ze Kreis­lauf der Ernäh­rung voll­zog sich unter Plau­es ewig blau­em Him­mel. Am Frei­tag, 8 Uhr Abends tra­fen wir mir einem Boh­nen– und Kar­tof­fel­sack, den „Min­chens“ lie­be­vol­le Hän­de noch in der Abschieds­stun­de gefüllt hat­ten, wohl­be­hal­ten hier wie­der ein..

Am 17. Juni 1876 heißt es in einem Brief an die Toch­ter Martha:

Mei­ne Rei­se­plä­ne ruhn; ich wer­de nach dem 3. August, bis wohin ich [in der Aka­de­mie der Küns­te] kei­nen Tag feh­len darf, auf eine hal­be Woche zu Wiesike gehen, die Wir­kung von Apfel­wein und Scho­pen­hau­er auf mich abwar­ten und dann an mei­nen Schreib­tisch zurückkehren.

Wie stark Fon­ta­ne bereits zu die­ser Zeit von Plaue und sei­ner Umge­bung fas­zi­niert war, geht aus dem „Melusine”-Entwurf vom Som­mer 1877 her­vor. Unter der Über­schrift „Königs­marck-Wiesike. Plaue” notier­te er:

Eine wun­der­vol­le Roman-Sze­ne­rie ist Plaue

Die Daten der Besu­che Fon­ta­nes bei C.F. Wiesike in Plaue sind in der Fon­ta­ne-Chro­nik wie folgt ermit­telt wor­den (Gra­we 1998).

23.–25.Mai 1874Gemein­sa­mer Besuch mit sei­ner Frau
Pfings­ten 1875Gemein­sa­mer Besuch mit sei­ner Frau
5.—9.Juli 1875Gemein­sa­mer Besuch mit sei­ner Frau
Som­mer 1876Besuch allein
Anfang August 1877Besuch
April 1878Besuch
Anfang Mai 1879Besuch
April 1880Gemein­sa­mer Besuch mit sei­ner Frau

Bei sei­nem ers­ten Besuch in Plaue schrieb Fon­ta­ne an Alex­an­der Genz am 25.Mai 1874 von Wiesike aus:

Ich habe hier zwei, drei höchst ange­neh­me Tage ver­lebt, die mich an die Tage mit Ihnen am Molchow– und Zer­müt­zel­see und dann in Gentzro­de selbst leb­haft erin­nert haben…. Plau­er­hof wird wohl mal ein Arti­kel wer­den wie Gentzro­de; den Ungar­wein (als Sän­ger-Lohn) hab ich hier vor­weg genossen

Es ist wich­tig, sich zu ver­deut­li­chen in wel­che Lebens­pha­se Fon­ta­nes die­se häu­fi­gen Besu­che in Plaue fal­len.
Im Jahr 1874 wid­met sich Fon­ta­ne inten­siv sei­ner Tätig­keit als Thea­ter­kri­ti­ker. In die­se Zeit fällt auch der Abschluss sei­ner Arbei­ten am monu­men­ta­len „Der Krieg gegen Frank­reich“. Ende Sep­tem­ber unter­nimmt er sei­ne ers­te Ita­li­en­rei­se bis Mit­te Novem­ber.
Auch die Jah­re 1875 und 1876 sind voll mit Kri­tik­ar­bei­ten. Anfang 1876 begin­nen die Arbei­ten an sei­nem ers­ten Roman „Vor dem Sturm“, die bis April 1878 andau­ern wer­den. Ende 1878 begin­nen die Arbei­ten an „Gre­te Min­de“ und dann „Schach von Wuthenow“.

Die Zeit in Plaue ist für Fon­ta­ne immer eine Zeit des Aus­ru­hens, auch in schwie­ri­ger per­sön­li­cher Situa­ti­on. Fon­ta­ne hat­te am 11.3.1876 die Posi­ti­on eines Ers­ten stän­di­gen Sekre­tärs der Aka­de­mie der Küns­te ange­tre­ten, aber bereits am 19.6. wie­der gekün­digt. Sei­ne Frau reagier­te mit Unver­ständ­nis und zog zuhau­se aus. Fon­ta­ne begab sich für eini­ge Tage nach Plaue.

Auch der Wein­händ­ler Fried­rich Wil­helm Wiesike gehör­te zum Fontane´schen Bekann­ten­kreis. Am 15.Juni 1978 schreibt Fon­ta­ne an sei­ne Frau:

Vor­ges­tern besuch­ten mich auch Wein­händ­ler Wiesike und Frau. Wenn ich mir die letzt­re anse­he und dann ihn, so kann ich ein Stau­nen nicht unter­drü­cken, daß er noch so imstan­de ist. Er ist offen­bar von der zähen Sor­te. Unser alter W. und Min­chen sind immer krank gewe­sen; ich will mal an ihn schreiben.

Am 11. Okto­ber 1880 starb Wiesike und Fon­ta­ne ver­fass­te einen Nach­ruf in der Vos­si­schen Zei­tung, der spä­ter in Tei­len im Kapi­tel des Ban­des „Fünf Schlös­ser“ ver­wer­tet wur­de. Der Nach­ruf ist manch­mal fri­scher, wär­mer, leben­di­ger und per­sön­li­cher als die spä­te­re Buch­fas­sung. Er fügt der Cha­rak­te­ris­tik Wies­ikes Züge ein, die spä­ter weg­ge­blie­ben sind (Hüb­scher 1970 ).

Der Kon­takt zu den hin­ter­blie­be­nen Wies­ikes blieb wei­ter­hin erhal­ten. Him­mel­fahrt 1881 (26.Mai) ver­merkt Fon­ta­ne: „Brie­fe geschrie­ben an Dr. Fried­mann, Lepel, Wiesike in Plau­er­hof und Pas­tor Wend­land in Groe­ben“. Unter dem 23.April 1882 notiert Fon­ta­ne in sei­nem Tage­buch: „Besuch von A. Wiesike (frü­her in Dres­den) der mir die Stif­tungs­ur­kun­de für ein zu grün­den­des „Wiesike-Hos­pi­tal“ bringt“, Am 9. Mai ist Haupt­mann Albert Wiesike wie­der zu Besuch.

Mit dem Tod Wies­ikes endet jedoch zunächst Fon­ta­nes Inter­es­se an dem Städt­chen selbst. Erst sie­ben Jah­re spä­ter wid­me­te er sich (im Zusam­men­hang mit der Quit­zow-Geschich­te) erneut Plaue. Er zog sich im Juli 1887 in eine Pen­si­on am Rüders­dor­fer Kalk­see (öst­lich von Ber­lin) zurück, um die bei­den Auf­sät­ze über Quitzö­wel und Plaue zu schrei­ben. In Brie­fen an sei­ne Frau schil­dert er sei­ne Ein­drü­cke von Rüders­dorf aus, am 7. Juli:

Der Ort [Rüders­dorf] wirkt so wie Plaue, Wils­nack etc. Alle die­se Jam­mer­nes­ter haben irgend­wo einen Charme, eine rela­ti­ve Bedeu­tung: in Plaue das Schloss samt sei­nen his­to­ri­schen Erin­ne­run­gen , in Wils­nack die Wun­der­blut­kir­che mit ihrer immer­hin inter­es­san­ten Geschich­te, in Rüders­dorf das Berg­werks­we­sen und die Wich­tig­keit des­sel­ben für Ber­lin.” , am 23. Juli: „Mit Plaue habe ich heu­te schon begon­nen und all die alten Wie­si­cke-Noti­zen wie­der durch­ge­le­sen. Wie vie­le wun­der­ba­re Hei­li­ge hat man schon kennengelernt.

Wahr­schein­lich ent­stand hier in Rüders­dorf eine Roh­fas­sung für das Plaue-Kapi­tel. Im Tage­buch schreibt er dann:

Im August war ich wie­der in Ber­lin und setz­te hier die oben­ge­nann­ten mär­ki­schen Arbei­ten fort.

Danach begann Fon­ta­ne jedoch mit der Nie­der­schrift sei­nes Roma­nes „Unwie­der­bring­lich” und erst zu Beginn des Jah­res 1888 wand­te er sich Plaue wie­der zu.  Am 8. Febru­ar 1888 berich­tet er sei­ner Schwes­ter Elise:

Ich habe eben einen 50 bis 60 Sei­ten lan­gen Auf­satz been­det, ein gro­ßes mär­ki­sches Kapi­tel. Im Som­mer, aber nicht eher (sonst bin ich von vorn­her­ein ver­lo­ren), wer­de ich ihn bei der Vos­sin ein­rei­chen, und viel­leicht wird er da ange­nom­men.

In die­ser Zeit hat Herr­mann Wiesike. der Nef­fe von C.F.Wiesike, wie­der­holt ver­sucht, Fon­ta­ne auch für die Stadt Bran­den­burg zu begeis­tern. Am 13. Juli 1888 schreibt Fon­ta­ne an ihn:

Hoch­ge­ehr­ter Herr, Emp­fan­gen Sie mei­nen erge­bens­ten Dank für Brief und Buch­sen­dung, womit Sie mich geehrt und erfreut haben. Den Weg­wei­ser durch Bran­den­burg wer­de ich mit ins Gebir­ge neh­men und muße­voll lesen, denn so viel ich mich auch mit Ein­zel­par­tien unse­rer Mark beschäf­tigt habe, zu einem auch nur leid­lich gründ­li­chen Stu­di­um der einst wich­tigs­ten Stadt des Lan­des, bin ich nie gekommen…

Der Plaue-Arti­kel erschien zuerst (unter dem Titel „Schloß Plaue a.H.”) am 13., 15., 17., 20. und 23. Juni 1888 in der Vos­si­schen Zei­tung. Für die Buch­aus­ga­be nahm Fon­ta­ne eini­ge weni­ge sti­lis­ti­sche Kor­rek­tu­ren an der Fas­sung des Vor­ab­drucks vor. Mit­te Okto­ber 1888 wur­de der Band “Fünf Schlös­ser. Altes und Neu­es aus Mark Bran­den­burg”, der auf 1889 vor­da­tiert ist, als ein­zi­ge Aus­ga­be zu Leb­zei­ten des Autors ausgeliefert.


Nach­ruf auf Wiesike (ab Sei­te 72)